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Geschenkt ist geschenkt, wiederholen ist gestohlen

Unter dieser Dachzeile rauschte ein Urteil des OLG Celle vom 13.02.2020, Az.: 6 U 76/19, Ende Februar durch den Blätterwald. Das Gericht hatte die Frage zu entscheiden, ob ein Sozialhilfeträger die für die Enkel angelegten Sparbücher bei Pflegebedürftigkeit der Schenkerin für die Deckung der Pflegekosten verwenden kann.

Das OLG Celle hat das bejaht. Diese Entscheidung war allerdings weit weniger überraschend, als es die Pressemitteilungen vermuten lassen.

Hintergrund der Entscheidung ist der Fall einer Großmutter, die für ihre beiden Enkel nach deren Geburt jeweils ein für 25 Jahre angelegtes Sparkonto eröffnet und darauf über einen Zeitraum von elf beziehungsweise neun Jahren jeweils monatlich 50,00 Euro eingezahlt hat. Die Großmutter bezog zuletzt eine kleine Rente. Einzahlungen auf die Sparbücher nahm sie nicht mehr vor. Als sie dann jedoch pflegebedürftig wurde, vermochte sie die für die Heimunterbringung von ihr anteilig zu tragenden Kosten nicht selbst aufzubringen, weswegen der Sozialhilfeträger für die Kosten aufkam. Sodann verlangte dieser von den Enkeln die Rückzahlung des auf den Sparkonten eingezahlten Geldes.

Hintergrund der Rückforderung sind zwei Aspekte.

Zunächst einmal können Schenker ihre Schenkungen bei Verarmung zurückfordern. Das regelt § 528 BGB. Dort heißt es in Absatz 1: „Soweit der Schenker nach der Vollziehung der Schenkung außerstande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten (…), kann er von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes (…) fordern.“ In den Fällen, in denen der Schenker seinen Eigenanteil an den Pflegekosten nicht mehr selber aufbringen kann, tritt dieser in § 528 Abs. 1 BGB geregelte Fall ein. Dieser Anspruch geht bei Kostenübernahme der Pflegekosten durch den Sozialträger kraft Gesetzes gemäß § 93 SGB XII direkt auf diesen über. So kann der Sozialträger den Rückforderungsanspruch im eigenen Namen gegenüber dem Beschenkten geltend machen. Und genau das ist in diesem Fall passiert.

Spannend wurde die Sache, weil die Vorinstanz bei einem Sparbuch, das für die Enkel angelegt wurde, eine Ausnahme von der Regel der Rückforderung angenommen hatte. Die Rückforderung ist nämlich ausgeschlossen, wenn die zuvor geleisteten Schenkungen einer sittlichen Pflicht (sog. Pflichtschenkungen) oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach (sog. Anstandsschenkungen). Das wäre zum Beispiel bei Geburtstagsgeschenken, Weihnachtsgeschenken und ähnlichen Zuwendungen der Fall. Das Landgericht unterstellte eine Anstandsschenkung im Sinne von § 534 2. Alt. BGB. Das OLG Celle hat dieser Annahme indes eine klare Absage erteilt. Ein über Jahre durch monatliche Einzahlungen angespartes Sparbuch ist keine Anstandsschenkung deren Rückforderung ausgeschlossen wäre. Und das gelte selbst dann, wenn der Schenker beim Ansparen überhaupt noch nicht absehen konnte, ob im späteren Verlauf einmal eine Verarmung im Sinne von § 528 Abs. 1 BGB eintreten könnte.

In dem vorliegenden Fall kam es nicht darauf an, der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle aber noch erwähnt, dass die Rückforderung auch dann ausgeschlossen ist, wenn seit der Schenkung 10 Jahre vergangen sind, § 529 Abs. 1 2. Alt. BGB. Es empfiehlt sich also, wenn Übertragungskonzepte erstellt werden sollen, stets anwaltlichen Rat einzuholen. Bei einer frühzeitigen Gestaltung können Probleme, wie sie sich in dem vom OLG Celle entschiedenen Fall ergeben haben, umgangen werden.

Martin Becker
Rechtsanwalt und Mediator, Winfried Becker & Partner, Lemgo